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BISMILLAHIR RAHMANIR RAHIM

Die Stellung der Frau als Ehefrau

yawm al-'arb`a'  (29 Shaban 1436 )


Die Stellung der Frau als Ehefrau


Am Beginn dieses Punktes steht eine allgemeine Reflexion über die Definition von Rechten und Pflichten in der westlichen Welt und im Islam. In der westlichen Welt wird immer von den Rechten gesprochen, die jeder Mensch hat, aber es wird nicht festgelegt, wer für die Einhaltung dieser Rechte zu sorgen hat. Der Koran spricht jedoch von Verpflichtungen, und aus den Verpflichtungen der einen ergeben sich die Rechte der anderen. Wenn die Verpflichtungen feststehen und gleichzeitig festgelegt wird, wer sie einzuhalten hat, entstehen die Rechte für die anderen daraus automatisch.
Das wichtigste Ziel der Ehe ist die Liebe und die Barmherzigkeit.

(gemäß dem Koranvers: Ebenso zu Seinen Ayat (d.h. Zeichen) zählt, daß ER für euch von eurem Wesen Partnerwesen erschuf, damit ihr bei ihnen Geborgenheit findet. Und ER setzte zwischen euch Liebe und Barmherzigkeit. Gewiß, darin sind doch Ayat für Leute, die nachdenken.) (30:21)

In Bezug auf die Ehe besteht bei den Muslimen heutzutage das Problem, daß sie fortwährend bestimmte Fragen des islamischen Rechts (Fiqh) diskutieren, die nur zur Anwendung kommen, wenn ein Streitfall eintritt. Stattdessen ist es viel wichtiger, die Liebe und die Kooperation zu betonen, den Respekt, die Achtung und die Barmherzigkeit - denn alles andere ist zweitrangig.

Amir Zaidan zieht einen Vergleich zwischen dem Iman (Gauben) und der Ehe: Beim Iman muß Tauhid  im Mittelpunkt stehen, alles andere ist zweitrangig. Denn Gebet, Zakat, Fasten und Hadsch sind ohne Tauhid hinfällig und nutzlos. Genauso muß bei der Ehe die Liebe und die Barmherzigkeit im Mittelpunkt stehen, denn eine Ehe, bei der keine Liebe und Kooperation entsteht, ist zum Scheitern verurteilt.

Ein wichtiges Thema, das sowohl unter Muslimen als auch unter Nicht-Muslimen viel diskutiert wird, ist die Frage, ob ein Mann seine Frau schlagen darf oder nicht. Amir Zaidan hält gleich am Anfang fest, daß das Schlagen der Frau verboten (haram) ist. Als Beleg dafür gilt die Aya, die von manchen Muslimen als eine Erlaubnis zum Schlagen der Frauen ausgelegt wird:

Die Ehemänner tragen Verantwortung den Ehefrauen gegenüber wegen dem, womit Allah die einen vor den anderen ausgezeichnet hat, und wegen dem, was sie von ihrem Vermögen ausgegeben haben. Die gottgefällig guttuenden Frauen sind (ALLAH gegenüber) ergeben und bewahren das vom Verborgenen (zwischen ihnen und ihren Ehemännern), was ALLAH zu bewahren auferlegt hat. Und diejenigen Ehefrauen, deren böswillige trotzige Auflehnung ihr fürchtet, diese sollt ihr (zunächst) ermahnen, dann in den Ehebetten meiden und (erst danach) einen (leichten) Klaps geben! Und sollten sie wieder auf euch hören, dann unternehmt nichts mehr gegen sie! Gewiß, ALLAH bleibt immer allhöchst, allgrößt. (4:34)

Diese Aya erfordert eine ausführliche Erläuterung:

Im Arabischen steht in diesem Vers "Männer" und "Frauen", gemeint sind jedoch die Ehemänner und Ehefrauen, weil Männer fremden (d.h. nichtverwandten) Frauen gegenüber in keiner Weise verantwortlich sind. Die allgemeine Aussage "Männer sind gegenüber Frauen verantwortlich" kann auch deshalb nicht zutreffen, weil eine Frau auch die Chefin eines Mannes sein kann, wie z.B. im Fall von Khadidscha (r.a.), bei der der Prophet (s.a.s) angestellt war.

Die Verantwortung, die von der einen Seite (den Ehemännern) übernommen wird, erwartet von der anderen Seite (den Ehefrauen) die Anerkennung dieser Verantwortung. Verantwortung zu tragen bedeutet, Verpflichtungen zu übernehmen. Weil der Mann Verpflichtungen übernimmt, muß er auch die Möglichkeit haben, diese zu erfüllen - was nicht gewährleistet ist, wenn die Ehepartner keine gemeinsame Richtung verfolgen.

Ansonsten ist in der Beziehung zwischen den Ehepartnern die gegenseitige Beratung vorgesehen. Dies war die Praxis des Propheten (s.a.s.), der sich in in seinen Angelegenheiten mit seinen Frauen beriet, sogar wenn es um politische Probleme ging. Es ist bekannt, daß er in einer schwierigen Situation (im Zusammenhang mit dem Friedensvertrag von Hudaibiya) seine Frau Umm Salama um Rat fragte und ihren Rat dann auch befolgte.

In der Aya wird weiterhin ein wichtige Verpflichtung der Ehefrauen genannt: Sie sollen das, was in der Familie vorgeht, bewahren und die Privatsphäre schützen. Dazu gehört auch, daß man über sexuelle Dinge zwischen den Eheleuten nicht mit Dritten redet - eine Sache, die der Prophet (s.a.s.) schwer verurteilt hat. Dies gilt natürlich für Männer genauso wie für Frauen.

Es geht weiter: ... und diejenigen Ehefrauen, deren böswillige trotzige Auflehnung ihr fürchtet, ...

Das Verb tachafu (fürchten) bedeutet auch wissen, d.h. man muß sich über die böswillige Auflehnung sicher sein. Es gibt eine Regel im Fiqh (Rechtswissenschaft) die besagt, daß auf Spekulation keine Sanktionen folgen können.

Wir kommen nun zu dem Punkt, warum das Schlagen der Frauen verboten ist. In der Aya wird die Erlaubnis gegeben, die Frau (leicht!) zu schlagen, wenn eine bestimmte Ausnahmesituation eingetreten ist, nämlich die unrechtmäßige, böswillige Auflehnung der Frau, die zudem trotz der vor dem Schlagen vorgeschriebenen Maßnahmen bestehen bleibt. Die Fiqh-Regel, die hier zur Anwendung gebracht wird ist mafhum al-muchalafa, dies ist eine Art Umkehrschluß. Die Bedeutung davon ist folgende: Weil das Schlagen der Frau in der Ausnahmesituation erlaubt ist, heißt dies, das es in allen anderen Fällen verboten ist!

Im Kontext dieser Aya, die das Schlagen als eine letzte Möglichkeit zur Rettung der Ehe erlaubt, geht es um ein familiäres Problem. Dieses Problem ist die Ausnahme, nicht die Regel. Das Leben einer Familie soll im Normalfall harmonisch verlaufen und eine Familie, bei der es ständig schwerwiegende Probleme gibt, ist keine normale Familie.

Die Auflehnung der Frau (nuschuz) wurde von den Korankommentatoren noch genauer beschrieben. Nach Ibn Abbas handelt es sich um nuschuz, wenn die Frau die Sexualität als Waffe einsetzt, wenn sie sich also dem Mann verweigert, um etwas zu erreichen oder um ihn zu kränken. Andere Kommentatoren waren der Meinung, nuschuz sei, wenn die Frau ihren Mann in der Öffentlichkeit bloßstelle und verachte. Man sieht in jedem Fall, daß nuschuz nicht einfach bedeutet, daß die Frau manchmal nicht kocht oder andere nebensächliche Dinge, die für manche Männer schon ausreichen, um ihre Frau zu schlagen.

Es gibt für diese Aya auch einen Offenbarungsanlaß: Eine Frau kam zum Propheten (s.a.s.) und beklagte sich bei ihm, weil ihr Mann sie geschlagen hatte. Der Prophet (s.a.s.) ließ daraufhin den Mann holen und ordnete Wiedervergeltung an, d.h. er forderte die Frau auf, ihren Mann zurückzuschlagen. Hierauf wurde die o.g. Aya offenbart, woraufhin der Prophet (s.a.s.) sagte: "Ich wollte etwas, aber Allah wollte etwas anderes."

Das Zurückschlagen wurde zum Schutz der Frau verboten, weil es die Situation noch verschlimmern könnte. Ein Mann, der bereits zornig ist, seine Frau schlägt und dann von ihr zurückgeschlagen wird, könnte vollständig die Kontrolle über sich verlieren und der Frau möglicherweise eine schlimme Verletzung zufügen. Trotzdem bleibt die Wiedervergeltung möglich, denn das Schlagen der Frau darf weder Spuren hinterlassen noch einen empfindlichen Körperteil betreffen. Das Schlagen ins Gesicht ist nach allen Gelehrten haram(verboten). Tut ein Mann dies trotzdem oder fügt er seiner Frau eine Körperverletzung zu, ist diese berechtigt, ihren Mann anzuzeigen, und dann ist es der Richter, der die Wiedervergeltung anordnet, und der Mann wird wissen, was er getan hat.

Der Prophet selbst (s.a.s) hat wie gesagt niemals eine seiner Frauen geschlagen, und zum Schlagen sagte er einmal, als sein Diener ihn verärgerte: "Wenn ich nicht wüßte, daß es im Jenseits Vergeltung gibt, hätte ich dich mit diesem siwak geschlagen." Der siwak ist ein kleines Ästchen, das wegen seiner Fasern zum Zähneputzen verwendet wird. Man sieht also, was sich der Prophet (s.a.s.) unter Schlagen vorgestellt hat. Aus diesem Grund wird das Veb daraba (schlagen) mit "einen (leichten) Klaps geben" übersetzt.



Eine Interpretation des Verses 4:34



Die Gelehrten bezeichnen dieses "Schlagen" als eine Art des "Wachrüttelns": Der Frau, die trotz Ermahnung und Meidung im Ehebett ihren Fehler nicht einsehen will, soll dadurch "aufgeweckt" werden und realisieren, daß sie tatsächlich ihre Ehe aufs Spiel setzt. Die Gelehrten raten auch davon ab, dieses letzte Mittel einzusetzen, wenn keine Aussicht auf Erfolg besteht, und stattdessen die Scheidung auszusprechen.

Man kann sich die Frage stellen, warum der Koran über dieses Thema überhaupt spricht. Der Grund liegt darin, daß dieses Phänomen zur Natur des Menschen (bzw. des Mannes) gehört, und wenn darüber nicht gesprochen wird, wird dem Schlagen nicht Einhalt geboten. Das Thema zu umgehen, wäre deshalb realitätsfremd.

Nach der Offenbarung dieser Aya dachten manche der muslimischen Männer, sie könnten ihre Frauen schlagen. Als der Prophet (s.a.s.) dies erfuhr sagte er: "Die Guten unter euch schlagen ihre Frauen nicht."


Amir Zaidan