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BISMILLAHIR RAHMANIR RAHIM

Die Frau als Richterin, Mufti oder Staatsoberhaupt?



yawm al-'arb`a' (29.Shaban 1436)

Die Frau als Richterin, Mufti oder Staatsoberhaupt?

Nach der hanafitischen Rechtsschule kann eine Frau auch Mufti sein, d.h. sie kann auch eine fatwa (Rechtsgutachten) geben. Ebenso ist es nach der hanafitischen Rechtsschule möglich, daß sie Richterin ist, allerdings sind Mordangelegenheiten davon ausgeschlossen. Nach den anderen Rechtsschulen ist dies nicht möglich.

Nach allen vier Rechtsschulen kann die Frau kein Staatsoberhaupt sein. Dies liegt daran, daß das Staatsoberhaupt nach islamischem Verständnis auch gleichzeit der Imam (Vorbeter) ist. Eine Frau kann jedoch nicht für Männer Imam sein, nur für Frauen. Außerdem wird die Frau aufgrund ihrer körperlichen Eigenschaften als ungeeignet angesehen (Schwangerschaft, Menstruation etc.). Wichtig ist hier wiederum, daß sich diese Einschätzung nach der Eignung richtet und nicht beinhaltet, daß Männer grundsätzlich besser wären als Frauen.

Abgesehen von der Eignung für bestimmte Bereiche haben Männer und Frauen prinzipiell die gleichen Rechte und Pflichten:

- in Bezug auf die Ibada (gottesdienstliche Handlungen): Gebet, Zakat, Fasten und Hadsch sind für Männer wie für Frauen gleichermaßen verpflichtend, es gibt lediglich für Frauen bestimmte Erleichterungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Menstruation.

- in Bezug auf das Streben nach Wissen: Der Prophet (s.a.s.) sagte: "Das Streben nach Wissen ist Pflicht für jeden Muslim und jede Muslima." Der Prophet selbst (s.a.s.) hat einen Tag in der Woche auschließlich für Frauen reserviert, um ihnen Untericht in der Religion zu geben. (An den anderen Tagen waren Frauen auch anwesend, aber dieser Tag war nur für Frauen.)

- In der Moschee (Gebet, Predigt, Versammlungen) waren Frauen und Männer gleichermaßen anwesend. Die Männer standen (saßen) in den vorderen Reihen, die Frauen in den hinteren, damit sie sich nicht gegenseitig ablenkten. Amir Zaidan wies bei dieser Gelegenheit darauf hin, daß eine Abtrennung zwischen Männer- und Frauenteil in der Zeit des Propheten nicht vorhanden war.

- Die Frau ist im Islam rechtsfähig und wirtschaftlich unabhängig (s.o.). (Amir Zaidan wies in diesem Zusammenhang auf den interessanten Fakt hin, daß in Deutschland bis in die 60er Jahre eine Genehmigung des Ehemannes nötig war, wenn eine Frau ein Konto eröffnen wollte.)

- Die Frau kann nicht zur Ehe gezwungen werden. Eine Ehe, die unter Zwang zustande kommt, ist nicht rechtskräftig.

- Die Frau kann eine Scheidung verlangen, auch wenn von Seiten des Mannes kein Fehlverhalten vorliegt. Nach einem Fall zur Zeit des Propheten (s.a.s.) gibt die Frau in diesem Fall die mahr (Brautgabe) an den Mann zurück.

- Eine Frau kann genau wie ein Mann Asyl gewähren. Das islamische Asylrecht unterscheidet sich vom deutschen darin, daß nicht der Staat, sondern die Einzelperson Asyl gewährt. Eine Frau zur Zeit des Propheten (s.a.s.) gewährte zwei Mekkanern Asyl, und war bereit, sie mit ihrem eigenen Leben vor Angriffen der Muslime zu schützen. Der Prophet (s.a.s.) bezeichnete ihre Handlungsweise ausdrücklich als richtig.

- Die Frau ist genau wie der Mann wahlberechigt. Als sich bei der Wahl des 3. Kalifen die Kandidaten auf niemanden einigen konnten, wurden alle Bewohner Medinas befragt, die Frauen ebenso wie die Männer.

Amir Zaidan